25.09.2023 23:22

Die Tessin-Stiftung ermöglicht sozial benachteiligten Kids neue Lebenswelten

In Deutschland lebenden Kindern und Jugendlichen aller sozialen Schichten geht es seit drei Jahren aus unterschiedlichsten Gründen nachweislich psychisch und physisch immer schlechter: dafür verantwortlich sind u.a. die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, Fluchterfahrungen, die Erdbeben-Auswirkungen, teure Mieten mit überfordernden Energiekosten, die ständig steigende Verteuerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten, beängstigende global auftretende Probleme – all das kann schnell zu Angst und Panik führen.

Die genannten Ereignisse haben verständlicherweise auch auf viele Münchner Familien massiven negativen Einfluss, die bei etlichen Familienmitgliedern weiterhin bedrückende Spuren hinterlassen. Frustration, Antriebslosigkeit, Zukunftsängste und fehlende Lebensfreude – nicht selten verbunden mit depressiven Reaktionen – haben bei vielen Kids aller Schularten deutlich messbar zugenommen, ganz besonders bei Jugendlichen.

Nach einer vom Februar 2023 stammenden Studie der Bertelsmann Stiftung gelten mehr als jedes fünfte Kind und jede/r vierte junge Erwachsene in Deutschland als armutsgefährdet. Alleinerziehende sowie Familien mit drei und mehr Kindern sind besonders betroffen. Die Daten zeigen, dass sich die Lage besonders für Kinder wieder verschlechtert hat. Im Münchner Hasenbergl, einem sogenannten sozialen Brennpunkt, übrigens einem von etlichen anderen Stadtbezirken in der reichen Landeshauptstadt Bayerns, liegt diese Armuts-Quote sicherlich bereits weit höher. Besonders sozial benachteiligte Jugendliche brauchen für eine positive, zukunftsorientierte Entwicklung dringend Motivations-Kicks, um Momente von Lebensfreude spüren und negative Lebenserfahrungen besser verkraften zu können.

Ende des Winters 2023 haben deshalb Engagierte unseres gemeinnützigen Vereins "ghettokids – Soziale Projekte e.V. eine kaum noch bis zum Sommer 2023 zeitlich noch finanziell umsetzbare Idee, weil auch der seit Jahren andauernde, eingebrochene Spendenzufluss unseren gemeinnützigen Verein bitter getroffen hat: Wir möchten für 50 sozial benachteiligte Jugendliche aus dem Münchner Norden positive Erlebnisse umsetzen, für diese Kids erlebbar und spürbar machen - mit Unterstützung von insgesamt 9 professionellen Begleitpersonen. Die Oberstufen-Schüler*innen einer Förderschule – mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und Verhalten – sollen durch eine außergewöhnliche Reise oder ungewöhnliche Tagesausflüge die Erfahrung machen: Das Leben kann doch lebenswert sein. Kurzfristig entsteht der Plan, für 40 Hasenbergl-Jugendliche der 7. bis 9. Jahrgangsstufen eine Lernfahrt nach Österreich in die Wildschönau anzubieten oder mehrere Tagesausflüge für Jugendliche dieser Oberstufenklassen, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht mitfahren können.

Eine mehrtägige Klassenfahrt in Bayern kostet nach Internetrecherche normalerweise pro Person 300.- € bis 500.- € ohne Fahrtkosten, eine Jugendherberge in Augsburg verlangt schon für drei Tage mit VP 299.- €. Diese Preiskategorien kommen für uns selbstverständlich nicht infrage.

In der Wildschönau in Österreich steht uns seit Jahren ein sehr großes, kostengünstiges Haus mit HP-Versorgung zur Verfügung – wenn man rechtzeitig bucht. Aber es stellt sich für uns vorrangig sowieso die Frage der Finanzierung unseres "spontanen Traumes". Aber wie heißt es so schön: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Unsere 1. Vorsitzende, Frau Susanne Korbmacher, stellt unseren Plan dem Vorstand der Dr. Ingeborg von Tessin und Marion von Tessin-Stiftung, die uns dankenswerter Weise in den vergangenen Jahren schon oft "spontan" mehr als großzügig geholfen hat, in Form eines eher bescheidenen Förderantrags vor. Der Antrag wird zu unserer großen Freude sehr schnell und unbürokratisch nicht nur bewilligt, sondern wird von der Stiftung aus auch noch finanziell aufgestockt, damit die Jugendlichen mit dem Reisebus gemeinsam entspannt und sicher nach Österreich fahren können und nicht mit überfüllten Zügen und mit mehrmaligem Umsteigen in die Wildschönau fahren müssen und so "keine kostbare Zeit verlieren". Unser Planungstraum kann tatsächlich Wirklichkeit werden.

Wir buchen für fünf Tage vom 24. bis 28.07.2023 – für die letzte Schulwoche vor den bayerischen Sommerferien – unsere Traum-Unterkunft, da die Wochen zuvor die beiden Neuntklässler-Klassen noch voll in den Abschlussprüfungen stecken und bei einem früheren Termin nicht mitfahren könnten. Uns kommt bei der Buchung zugute, dass in der letzten Schulwoche anscheinend keiner eine Fahrt mit Kids unternehmen will. Unser Glück! Zudem bietet uns die Leitung der Pension Oswald die Übernachtungs- und Verpflegungspreise an, die wir die Jahre vor Corona bezahlt haben. Unglaublich!

Das Betreuungsproblem löst sich wie von selbst: Die angemeldeten 9 Begleitpersonen – darunter auch ghettokids-Mitglieder – haben in der letzten Schulwoche bereits um 11:20 Uhr Schulschluss, sind aber bereit, die spontan geplanten ganztägigen Freizeit-Angebote ehrenamtlich mit ihrer Zeit, Kraft und vor allem ihrem Engagement über ihre Arbeitszeit hinaus zu unterstützen. Wahrlich tagtäglich ein 24-Stunden-Job!

Dann taucht ein nicht unwesentlich neues Problem bei der Oberstufen-Bildungsfahrt auf: Etliche Erziehungsberechtigte wollen ihr Kind nicht mitschicken, weil die Fahrt in die Wildschönau zeitlich bis Freitag, den letzten Tag vor den Sommerferien, festgelegt ist - in diesem zeitlichen Rahmen haben wir ja auch unseren Antrag an die Tessin-Stiftung gestellt. Viele Hasenbergl-Familien, die meist mehrere Kinder in unterschiedlichen Schularten haben, wollen nach der Zeugnisvergabe nach Unterrichtsschluss jedoch gleich in Urlaub fahren - entweder zu Familienangehörigen in andere deutsche Städte bzw. Bundesländer oder sogar in ihr Heimatland. Und da wir planen, viele Jugendliche mit Migrationshintergrund auf die Fahrt nach Österreich mitzunehmen, hätten viele aus dem Grund "Fahrt in die Heimat" nicht teilnehmen dürfen. So wird nach langer Abwägung und mit einem weinenden Auge der Rückreisetermin aus der Wildschönau auf den Donnerstagnachmittag, also den vierten Reisetag, vorverlegt. So können alle Jugendlichen am Freitag bei Zeugnisvergabe und verfrühtem Unterrichtsschluss wieder vor Ort, d.h. im Hasenbergl sein – die Wildschönau-Fahrt bis Donnerstagnachmittag (Ankunft am Abend) stellt für die Erziehungsberechtigten also keinen Absagegrund mehr dar.

Als wir die Verkürzung der Oberstufen-Fahrt von fünf auf vier Tage der Tessin-Stiftung mitteilen – immerhin wurde der Förderantrag für fünf Reisetage bewilligt –, reagiert der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Herr Hackl, sehr verständnisvoll: "Einerseits schade, dass Sie um 1 Tag kürzen müssen, andererseits aber auch verständliche Gründe."

Aber es kommt noch heftiger: Es erscheinen tatsächlich am Abfahrtstag nur 25 Jugendliche der geplanten 40 Oberstufen-Jugendlichen am Reisebus in der Früh. Einige sind erkrankt; bei anderen wird vermutet, dass sie mit ihrer Familie doch früher in Urlaub fahren werden; einige muslimische Mädels sagen kurzfristig ab, nachdem die weibliche muslimische Begleitperson aus familiären Gründen ihre Teilnahme absagen muss; Erziehungsberechtigte haben Angst wegen der kalten und regnerischen Wettervorhersagen – oder die Jugendlichen fühlen sich aus unterschiedlichsten Gründen überfordert, aber können dies nicht zugeben bzw. können nicht darüber sprechen. Alles verständliche, aber für alle Engagierte sehr enttäuschende Gründe. Sich sozial zu engagieren ist manchmal wirklich frustrierend.

Erneut muss unsere 1. Vorsitzende die Tessin-Stiftung von der abweichenden Reiseplanung informieren und wieder reagiert Herr Hackl äußerst verständnisvoll: "Mein Vorschlag: Jetzt machen Sie mit Ihren "Kids" erstmal die Reise und Petrus beschert ihnen hoffentlich trockene Tage mit viel Sonnenschein. Und dann sehen wir, welche Einsparungen sich ergeben haben und wie wir damit dann umgehen."
Mit dem Wetter hat die Reisegruppe dann kein Glück. Bei Reiseantritt wird das Wetter – wie vorhergesagt – kalt und regnerisch. Alle nehmen sich den Spruch zu Herzen: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Die Jugendlichen und Betreuungspersonen, die mitfahren, freuen sich trotz der schlechten Wetterprognosen riesig auf die Reise. Der in Österreich bestellte Reisebus ist nicht nur äußerst kostengünstig und zeitsparend, sondern stellt für alle den puren Luxus dar. Keine U-Bahn vom Hasenbergl zum Hauptbahnhof, keine wegen des 49-Euro-Tickets total überfüllten Züge bis Kufstein, kein Umsteigen in einen Zug nach Wörgl und kein Linienbus in die Wildschönau. Einfach nur vom Hasenbergl in die Wildschönau gefahren werden – so schön und bequem kann schon die Hinfahrt sein.

Die viertägige Reise in die Wildschönau wird ein voller Erfolg. Die Jugendlichen steigen am vierten Tag gegen Abend müde, aber voller glücklicher Erlebnisse aus dem Reisebus. Die Reisegruppe ist eine verschworene Gemeinschaft geworden und neue Freundschaften haben sich gebildet. Die Jugendlichen betonen bei der Übergabe der Zeugnisse in ihren Klassen, dass die Reise das Schönste war, was sie seit Langem erlebt haben. Genau das war unser Ziel. Ohne die Großzügigkeit der Tessin-Stiftung hätten wir diese "Traum-Reise" weder für "unsere" sozial benachteiligten Jugendlichen organisieren noch durchführen können. Dafür ein riesengroßes Dankeschön!

Und zum Schluss kommt die tolle Nachricht: Uns stehen die übrig gebliebenen Spendengelder der Tessin-Stiftung für weitere Ausflüge oder Reisen zur Verfügung. "Soeben habe ich mir Ihre Unterlagen angesehen. In Summe ist es beeindruckend, was Sie mit Ihren Jugendlichen und einem überschaubaren Ausgabenbudget alles unternommen haben. Danke für Ihren interessanten Bericht inklusive der Beiträge der Jugendlichen nebst Fotos. Was mich betrifft, so steht es außer Frage, dass Sie das offene Budget für künftige Ausflüge heranziehen dürfen. … Mittlerweile konnte ich mich mit meinem Vorstandskollegen abstimmen und es besteht Einvernehmen, dass Sie die noch offene Summe aus unserer Förderzusage NICHT zurücküberweisen müssen. Wir sind gerne damit einverstanden, dass Sie die restliche Fördersumme für 'Fahrten und Ausflüge' nach den Sommerferien verwenden dürfen." (Zitate aus Tessin-Mails).

In unserem Namen und der Kids: Auch dafür ein riesengroßes Dankeschön!


Texte der Jugendlichen zu der Oberstufenfahrt vom 24. - 27. Juli 2023:

Der Weg ins Freibad

Wir waren wandern bis zum Schwimmbad. Der Weg hat 45 Minuten gedauert. Auf dem Weg war ein Fluss mit Fischen. Wir sind auch durch ein Dorf gelaufen. Wir haben eine Pause gemacht in einem Supermarkt und Snacks gekauft. Der Weg war sehr anstrengend.

Das Freibad

Unser Ausflug ins Freibad war wirklich schön. Es war sehr lustig. In dem Freibad gab es ein großes Krokodil im Wasser und eine große Rutsche. Es gab auch einen Kiosk, wo man sich was kaufen konnte. Außerdem gab es einen kleinen Spielplatz, wo Kinder spielen können. Dieses Schwimmbad ist sehr gut für Familien geeignet und um mit Freunden hinzugehen. Es ist sehr lustig und man hat viel Spaß. Im Wasser haben wir z.B. Fangen gespielt, sind auf das Krokodil geklettert oder waren auf der Rutsche.

Der Ausflug ins Restaurant

Vom Schwimmbad aus sind wir hungrig zum Restaurant gelaufen. Wir haben alle einen Burger mit Pommes bekommen und durften uns ein Getränk aussuchen. Wir haben nach dem Burger noch eine Kugel Eis bekommen. Wir durften zwischen Schokolade, Erdbeere und Vanille aussuchen. Es war sehr lecker.

Der Ausflug auf den Berg

Wir haben uns alle draußen versammelt. Wir sind anschließend zu der Gondel gelaufen. Dann hat uns unsere Lehrerin die Karten gegeben für die Fahrt. Die Fahrt ging acht Minuten. Als wir oben waren, sind wir gewandert. Manche sind zur Kapelle gelaufen und zum Gipfel. Man konnte ganz viele Berge sehen und wir waren sogar über den Wolken. Danach waren wir alle bei einem Bauernhof, wo man Ziegen streicheln kann.
Dann sind wir wieder runtergefahren und haben für alle Pizza bestellt. Es hat Spaß gemacht!

Das Haus

Die Jungs hatten Spaß im Kicker-Raum. Wir haben immer mit den Lehrerinnen an der Tischtennisplatte Rundlauf gespielt. Es war alles sehr schön und die Atmosphäre war noch nie so schön. Da wir zum ersten Mal hier waren, hat es viel Spaß gemacht, weil wir so viel gesehen und erlebt haben und wir haben immer zusammengehalten. Die Lehrer und Lehrerinnen haben sich Zeit genommen, um sich Zeit zu nehmen, damit wir Spaß haben durften. Aber sie haben auch Regeln aufgestellt, die sehr wichtig waren.

Der letzte Tag

Der letzte Tag war der beste Tag. Wir sind nach dem Frühstück mit der Bummelbahn auf eine Alm gefahren. Es war lustig in der Bummelbahn. Wir waren so langsam, dass uns alle Autos überholen mussten. Auf der Alm gab es einen Spielplatz mit Trampolin. Wir haben uns einen Bauernhof angeschaut. Danach haben wir jeder ein Getränk bekommen und unsere Brotzeit gegessen. Das war lecker. Als wir mit der Bummelbahn zurückgefahren sind, gab es noch eine Überraschung. Wir sind in einen Freizeitpark gefahren. Da gab es ein 5D Kino und eine riesige Reifenrutsche, wo man ganz hoch geschanzt ist. Außerdem gab es ein riesiges Trampolin mit einem Sprungturm. Manche haben auch am Wasserspielplatz gespielt. Dann durften wir alle eine Runde mit der Sommerrodelbahn fahren. Man konnte aussuchen, ob man zu zweit oder alleine fährt. Die Fahrt war sehr schnell, das hat richtig Spaß gemacht. Am Abend haben wir dann noch gegrillt und eine Party gemacht. Dafür durften wir länger wach bleiben. Das war der beste Tag!